Sehr geehrter Herr Knebel,
herzlichen Dank für Ihre Nachfrage.
Es ist ganz sicher zutreffend, dass in der Coronakrise und den von der Regierung auferlegten Zwangseinschränkungen alle Menschen erfahren, wie wertvoll Freiheit und eine nicht an allen Ecken und Enden der Normalität beschränkte Lebensweise ist. Insofern – und das reflektiere ich gerade angesichts Ihrer Nachfrage – erlebt nun unsere gesamte Bevölkerung – mit Ausnahme der aus sogenannten humanitären Gründen Reisenden – eine Beschränkung innerhalb der Grenzen Deutschlands, die für Menschen mit einem Handicap an vielen Stellen immer wieder und regelmäßig eintritt.
Ich selbst bin derzeit massiv schlechtersehend – ohne Brille finde ich mich deutlich weniger zurecht: dass ein Lesen ohne Brille gar nicht mehr möglich ist, ist eine berührende Erfahrung; auch die Tatsache, dass das Viele gar nicht nachvollziehen können.
Zu Ihrer ersten Frage:
Selbstverständlich werde ich mich für einen barrierefreien Zugang zu Informationen für sehbehinderte Menschen einsetzen. Jeder sehbehinderte Mensch hat das Recht seinen Lebensunterhalt in Würde selbst zu erwirtschaften. Zumeist muss er das auch; sonst bezieht er lediglich Bezüge aus der sogenannten Sozialhilfe.
Zu Ihrer zweiten Frage:
Was der EAA definiert ist vollumfänglich zu begrüßen, wenngleich ich nicht der Ansicht bin, dass die EU nicht für die Regulierung barrierefreier Zugänge innerhalb Deutschlands zuständig ist. Die EU hat hier die Variante einer Richtlinie gewählt, was bedeutet, dass die Vorgaben in nationales Recht umgesetzt werden müssen und die jeweiligen Nationalstaaten hier individuell-nationale Lösungen anbieten können bzw. dürfen.
Auch wenn private Klein-Unternehmen nicht davon betroffen sind, so ist es sehr zu begrüßen, dass die Alltäglichkeiten (Bank, Einkauf, ÖPNV, Informationsbeschaffung –Medien) barrierefrei möglich sind. Wo immer es möglich ist, sollte Menschen mit einer Sehbehinderung eine maximale Nutzung des jeweiligen Angebotes ermöglicht werden.
Da ich selbst nicht so wie Sie – maximal sehbehindert bin – würde ich mich hier auf konkrete Anregungen bspw. von Seiten Ihres Vereins verlassen müssen. Vermutlich sind das sogar sehr spezielle Vorschläge – je nach zu kategorisierender Situation – bis hin zur individuellen Auslösung von Signaltönen zur Orientierung.
Zu Ihrer dritten Frage:
Selbstverständlich muss der ÖPNV barrierefrei gestaltet sein. Zwar ist es in unserer Gesellschaft üblich, dass man einander hilft und sich unterstützt, doch sollte es nicht zu Situationen kommen, die für den Betroffenen gefährlich oder als entwürdigend wahrgenommen werden. Ich meine aber sogar, dass der ÖPNV prinzipiell wieder sicherer werden muss und da sehe ich gerade für sehbehinderte Menschen ein Problem. Viel zu oft hört und liest man von beschämenden Angriffen auf Menschen mit einem Handicap.
Ob sich der barrierefreie Zugang in allen Apotheken und Arztpraxen einfach durchsetzen lässt, wage ich zu bezweifeln. Hier gibt es so viele Bauten, die sich gerade nicht umgestalten lassen, sei es aus Kostengründen oder aus Denkmalschutz- oder sonstigen baurechtlichen Gründen. Hier gilt der Bestandsschutz als vorrangiges Recht und das möchte ich den Inhabern eben nicht einfach wegnehmen, denn im Vertrauen auf die ihnen erteilte Genehmigung haben diese investiert. Auch diese leiden unter den Corona-Schäden der Regierungsmaßnahmen und haben gewiss keinen finanziellen Spielraum, auf eigene Kosten in nächster Zeit neu zu investieren.
Auch dort werden wir uns – so wie bislang als Menschen untereinander auch – einfach gegenseitig helfen müssen.
Gleiches gilt auch beim Einkaufen. Ich meine zwar, dass für Sehbehinderte durchaus Möglichkeiten gegeben sein müssen, sich in einem Supermarkt bspw. sicher in den Regalreihen zu bewegen – bspw. durch mit einem Blindenstab ertastbare Markierungen am Boden; doch schon bei den Warenetiketten wird man auf Schwierigkeiten stoßen, da diese oft ausgewechselt werden und zumeist nicht hinreichend fest befestigt sind. Auch hier werden wir uns einfach gegenseitig weiterhin helfen müssen.
Zu Ihrer vierten Frage:
Es ist leider ein schändliches Prinzip, dass die jeweiligen Regierung nur gerade denjenigen Gruppen helfen, die sich am lautesten bemerkbar machen und/oder gar neuerdings nur noch EU-oder UN-protegiert sind.
Soviel initiativ von meiner Seite dazu: ich bin der Ansicht, dass wir uns erst einmal um die Menschen hier in unserem Land kümmern müssen und erst dann uns um andere Menschen außerhalb unseres Landes kümmern können bzw. letztlich sollten.
Da es insgesamt den bedürftigen Menschen unseres Landes immer schlechter geht und insbesondere die hier sehbehinderten Menschen ihr Einkommen verdienen müssen, meine ich, dass es nicht der richtige Ansatz wäre, Ihre berechtigten Anliegen dadurch abzuwehren, dass man auf ein sogenanntes Jammern auf hohem Niveau in Deutschland verweisen würde.
In dieser Geradlinigkeit werden Sie das vermutlich von wenigen Befragten hören, sondern vielleicht nur gefällige Beliebigkeitsfloskeln erhalten.
Ich habe mich auf Ihre Frage hin mit den verschiedenen Zuwendungen nach den jeweiligen Landesblindengesetzen beschäftigt. Die Regelungen sind sehr unterschiedlich ausgestaltet – ich nehme an, dass das an den Finanzstärken der jeweiligen Landeshaushalte liegt und an den jeweiligen durchschnittlichen Lebenshaltungskosten im jeweiligen Bundesland.
Da unser Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr um 5% gesunken ist, es zu einem geschätzten Steuerausfall von 52 Milliarden Euro kommt und ich auch das für eine reine Schönfärberei halte, wäre es gelogen, Ihnen zu versprechen, dass ich mich dafür einsetzen kann.
Noch immer kehrt keinerlei Vernunft bei der Regierung ein, uns endlich wieder unser Geld selbst verdienen zu lassen, weitere Schäden erwarten uns allerorts. Gerade wurde erneut die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt, was nichts anders bedeutet, als dass diese Regierung nach wie vor in voller Kenntnis unsere Wirtschaft an die Wand fährt.
Mittels ungehemmten Gelddruckens und einer weit ausufernden Alimentation breiter Bevölkerungsschichten mittels Kurzarbeitergeld befürchte ich, dass es zu einer starken Entwertung der Kaufkraft des Geldes kommen wird – dies wird auch am Blindengeld leider nicht halte machen. Die Tatsache, dass unsere Kinder ein ganze Jahr so gut wie keine Bildung mehr genießen dürfen, wird den landeseigenen Aufschwung nachhaltig beschränken: Es fehlt durch die Verstärkung des Mangels an gut ausgeschulten Jugendlichen in der Berufswelt noch mehr an geeigneten Ausbildungsplatzbewerbern.
Versprechen kann ich Ihnen daher nur, dass ich mich um einen gerechten Sachausgleich bemühen werde, aufrichtige Geldversprechungen kann ich Ihnen – zu meinem Bedauern – leider keine machen.
Zu Ihrer fünften Frage:
Barrierefreie Lern- und Bildungsangebote sind ein Muss: es ist ein zentraler Teil des staatlichen Daseinsvor- und -fürsorgeauftrages der hiesigen Bevölkerung – zunächst und vorrangig der eigenen allerdings –in jeder Hinsicht kostenfreie Bildungsmöglichkeiten zur Erlangung des Zustandes eines selbstbestimmten Lebens zu ermöglichen. Das gehört unbedingt dazu.
Ich weise an dieser Stelle darauf hin, dass es hierzu jedoch eines generellen Ausbaus der digitalen Nutzungsmöglichkeiten und Zugangsmöglichkeiten überhaupt braucht. Deutschland ist hier auf dem Stand mit einem Land wie Albanien.
Auch hier wieder meine Kritik: Anstelle unsere Steuergelder einfach zu verschwenden und nicht vertrauenswürdigen Institutionen zu überlassen, hätten wir das schon längst selbst bei uns vorantreiben sollen und müssen und sollten es nun endlich tun – in aller Konsequenz ggü. andern, die infolgedessen nichts mehr oder eniger von unserem Erarbeiteten bekämen.
Man kann Geld eben nur einmal ausgeben. Und wenn wir das nicht jetzt endlich hier umsetzen, wird es für uns als Land zu spät sein. Niemand wird uns dabei helfen, wenn wir das nicht selbst tun.
Zu Ihrer sechsten Frage:
Es gibt bereits Regelungen, die Firmen ab einer bestimmten Größe verpflichten, einen bestimmten Anteil an Menschen mit einem Handicap zu beschäftigen- also nicht nur sehbehinderte Menschen. Sehr viele Firmen kaufen sich davon frei, indem sie lieber die Abgabe leisten, als die Beschäftigung vornehmen. Aus meiner beruflichen Erfahrung mit dem Arbeitsrecht weiß ich, dass die Firmen befürchten, solche Mitarbeiter gar nicht mehr oder nur zu einem horrend hohen Abfindungsentgelt vor den Arbeitsgerichten wieder los werden zu können.
Es gab aus meiner beruflichen Erfahrung heraus immer wieder unschöne Situationen dahingehend, dass man einerseits arbeitnehmerseits ein sogenanntes Lügerecht hat, andererseits sich arbeitgeberseits in einer extremen Rechtfertigungssituation befindet, wenn man das Arbeitsverhältnis einer Person mit Schwerbehinderungsnachweis beenden mag. Nachfolgend sei dann ein Mobbing zusätzlich zu befürchten.
Dies sind meine rechtsanwaltlichen beruflichen Erfahrungen, die ich nach 23-jähriger Rechtsanwaltstätigkeit wiedergeben kann – allerdings nicht speziell im Sehbehinderten-Bereich.
Anreize, sich inklusiv zu öffnen, kann man primär durch eine bessere Aufklärung über die Arbeitgeberpflichten und die Beratung – auch über die Integrationsämter – erhalten. Diese haben derzeit klar nur den Auftrag, die Arbeitnehmer zu beraten.
Anreize an Unternehmen bedeutet immer im Wesentlichen: finanzielle Anreize zu schaffen. Dies ist entweder über zusätzliche finanzielle Entlastungen oder im Gegenteil über finanzielle „Strafzahlungen“ im Falle der Nichterfüllung einer bestimmten Beschäftigtenquote möglich. Die Grenze der Einschränkungen über Art 12 GG darf dabei nicht überschritten werden.
Ich wünsche mir zunächst einfach einen ehrlicheren Umgang miteinander. Meine Erfahrung ist: je wohlklingender die Wahl der Worte ist, desto heuchlerischer ist die wahre Gedankenwelt dahinter. Allerdings muss auch angemerkt werden dürfen, dass die finanzielle Resilienz der Betriebe immer kleiner wird – gerade jetzt.
Vielleicht wäre es eine Lösung, mit Zeitarbeitsverträgen hier gegenseitiges Vertrauen zu schaffen, wobei ich bei einem anderen meiner arbeitsrechtlichen Anliegen wäre: die Ausweitung der Koppelung von Zeitarbeitsverträgen, jedenfalls aber die Möglichkeit einer erst nachträglichen Begründung der Befristung ist unbedingt zu beenden.
Da ich meine, hier kein allgemein passendes Lösungsmodell anbieten zu können, komme ich zu dem Schluss, dass gerade individuelle Initiativen - wie solche durch Ihren Verein – die richtige Vorgehensweise sind, denn ich kann nun zwar aus arbeitsrechtlicher Sicht meine Erfahrungen einbringen, aber es kommt im Wesentlichen ja auf die besonderen Fähigkeiten der Sehbehinderten an. Ich meine, dass der sicherste Arbeitsplatz ein individuell passender ist.
Sehr gut gefallen hat mir Ihre Vorstellung bei dem Format „Ein Herz für Freiburg“.
Sofern ich ein Mandat erringen würde, werde ich Sie auf alle Fälle aktiv zur Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten zur Inklusion bitten, da ich den Eindruck gewonnen habe, einen sehr fundiert-differenziert denkenden, sachorientierten und kompetenten Gesprächspartner vorzufinden.
Ihr „Anliegen in eigener Sache“ werde ich jedenfalls unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Böswald
Landtagskandidatin
AfD Breisgau-WK 48