1.) barrierefreier Zugang zu Informationen!
Die Corona-Einschränkungen haben uns den hohen Stellenwert und die Defizite bei der Barrierefreiheit der Digitalisierung deutlich gemacht. Trotz gesetzlicher Vorgaben sind leider noch immer viele Internetseiten und Apps öffentlicher Stellen in Baden-Württemberg für blinde und sehbehinderte Menschen nicht barrierefrei nutzbar. Wir fordern daher eine zügige Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. Bei Neuausschreibungen ist Barrierefreiheit ins Pflichtenheft aufzunehmen. Selbstverständlich müssen trotzdem weiterhin analoge Alternativen, wie z. B. Telefonhotlines für Auskunft/Anmeldung, aufrechterhalten werden, damit auch ältere Menschen mit Behinderungen nicht abgehängt werden.
Werden Sie sich für den barrierefreien Informationszugang einsetzen?
Antwort:
Definitiv! Eine Teilhabe am digitalen Informationszugang für alle Menschen ist eine meiner Kernthemen. Barrierefreiheit muss hierbei aber nicht nur für den Zugang zu staatlich bereitgestellten Informationen gelten sondern gesetzlich viel weitergehender verankert werden und das Schlupfloch das in Form des § 10 Landes-Behindertengleichstellungsgesetzes existiert muss geschlossen werden. Auch privatwirtschaftlich bereitgestellte Inhalte müssen weitergehender barrierefrei gestaltet werden – hier muss meiner Meinung nach die geltende Gesetzgebung auf Bundes- und Landesebene angepasst werden, sowohl was Pflichten als auch was Forderungen angeht.
Auch rein inhaltlich muss dafür gesorgt werden, dass die Nutzung von „analogen“ Kommunikations- und Informationsbeschaffungswegen keinen Nachteil beim Erlangen von Informationen und dem Zugang zu staatlichen Dienstleistungen darstellt. Wir konnten gerade im Kontext der Corona-Impfung beobachten, dass Menschen die keine Probleme mit der Bedienung der Terminvergabe-Website hatten gegenüber denjenigen stark im Vorteil waren die auf analoge Kontaktmittel angewiesen waren.
2.) Umsetzung der Europäischen Barrierefreiheitsrichtlinie in nationales Recht!
Ab dem Jahr 2022 sollen die Vorgaben der Europäischen Barrierefreiheitsrichtlinie (European Accessibility Act -EAA) in Deutschland in nationales Recht umgewandelt werden. Die Legislative auf Bundes- und auch auf Landesebene muss bis dahin ein Gesetz zur Umwandlung der EU-Richtlinie in nationales Recht schaffen.
Werden Sie diese Umsetzung begleiten und könnten Sie sich vorstellen, über die Mindestvorgaben der EU-Richtlinie hinaus weitere barrierefreie Elemente im Online-Handel für Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen?
Antwort:
Die Umsetzung der Europäischen Barrierefreiheitsrichtlinie in nationales Recht ist ein wichtiger Schritt zur Verpflichtung der Wirtschaft, Güter und Dienstleistungen nach konkreten funktionalen Barrierefreiheitsanforderungen zu gestalten. DIE LINKE und ich werden diesen Prozess kritisch gestalten und ggf. auch über die Richtlinie hinausgehende Forderungen stellen. Hier wären noch eingehendere Gespräche mit den verschiedenen Verbänden bzw. Interessenvertretungen zu führen, ich sehe aber wie oben angemerkt v.a. im Zugang zu Digitalisierung weitergehende Regelungen für dringend geboten.
3.) Bauliche Barrierefreiheit und Mobilität!
Baden-Württemberg bekennt sich zu einer inklusiven Gesellschaft. Grundvoraussetzungen hierfür sind Barrierefreiheit im öffentlichen Raum und ein entsprechend ausgebauter ÖPNV, auch im ländlichen Raum. Denn nur so können blinde und sehbehinderte Menschen, die auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, selbständig mobil sein. Ebenso wichtig ist der barrierefreie Zugang zu allgemein genutzten privaten Einrichtungen (z. B. Arztpraxen, Apotheken, ...).
Werden Sie sich für einen schnellen weiteren barrierefreien Ausbau von Infrastruktur und Fahrzeugen sowie ausreichende Angebote einsetzen?
Antwort:
Mobilität ist einer der größten Faktoren für individuelle Freiheit eines jeden Menschen. Gerade am Land haben wir riesige Defizite. ÖPNV existiert bei weitem nicht im notwendigen Maß und ist oftmals auf den reinen Zubringer zu in den Zentren gelegenen Arbeitsplätzen ausgerichtet (Pendlerverkehr). Das sich die Verkehrsbedürfnisse gewandelt haben und auch Verkehre zwischen kleineren und mittleren Gemeinden herrscht ist in den Köpfen vieler Verkehrsplaner noch immer nicht angekommen.
Ich fordere den starken Ausbau des ÖPNV mit einer besseren Taktgestaltung, einen landesweit einheitlichen Tarifverbund und eben auch eindeutige, landesweit einheitliche Vorgaben was Barrierefreiheit von ÖPNV Infrastruktur und Fahrzeugen angeht. Hier braucht es dringend ein riesiges Investitionspaket, einerseits für die Infrastruktur, andererseits aber auch für barrierefreie und unterstützende App-Angebote. Ausschreibungen und Förderungen müssen hierbei klar an das Kriterium der Barrierefreiheit geknüpft sein.
4.) Erhaltung und Verbesserung der finanziellen Nachteilsausgleiche!
Die Landesblindenhilfe als wichtiger Nachteilsausgleich für blinde Menschen ist in Baden-Württemberg im Gegensatz zu den anderen Bundesländern seit 1997 nicht mehr erhöht worden. Deshalb fordern wir eine angemessene Erhöhung und künftige Dynamisierung, um Kaufkraftverluste auszugleichen. Weiterhin fordern wir, wie z. B. in Bayern, die Einführung eines Sehbehindertengeldes für hochgradig sehbehinderte Menschen.
Werden Sie sich hierfür einsetzen?
Antwort:
DIE LINKE fordert bundesweit einheitliche, bedarfsgerechte und einkommens- sowie vermögensunabhängige Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderungen. Dazu gehört auch eine Pauschale wie ein anrechnungsfreies Teilhabegeld, mit denen mit der Einschränkung verbundene finanzielle Nachteile ausgeglichen werden. Dies schließt ein Sehbehindertengeld für Menschen mit einer hochgradigen Sehbehinderung mit ein.
5.) Voraussetzungen für inklusive Bildung herstellen!
Hierfür ist ein gleichberechtigter Zugang aller Schülerinnen und Schüler zu Lernplattformen und Bildungsangeboten notwendig. Deshalb fordern wir eine barrierefreie Bildungsplattform sowie barrierefreie digitale Lernangebote und Medien.
Wie werden Sie sich für die notwendigen Voraussetzungen einsetzen?
Antwort:
DIE LINKE betont in ihrem Landtagsprogramm: Bildung ist ein Menschenrecht und sollte Gemeinschaftsaufgabe sein. Wir setzen uns für die Stärkung der Kinderrechte ein und befürworten die Einfügung der UN-Kinderrechte in die Landesverfassung. Wir wollen ein zukunftsorientiertes und auf Kooperation ausgelegtes Bildungssystem. Eines, das unabhängig von sozialem Hintergrund, Herkunft oder geistiger sowie körperlicher Leistungsfähigkeit individuell fördert. Bildung muss barrierefrei sein. Eine gute Bildung muss allen gebühren.
Zur umfassenden Barrierefreiheit im Bildungsbereich gehört neben dem barrierefreien Nahverkehr Heil und Hilfsmittel, die vor Ort bereitstehen müssen, sowie geeignete Lehr- und Lernmittel. Es gehört auch die Ausstattung der Schulen und der Lernenden
mit den notwendigen Lehr- und Lernmitteln dazu, die für die Lernenden kostenfrei zur Verfügung stehen müssen – vom Schulbuch bis zum digitalen Endgerät. Hilfsmittel und Barrierefreiheit müssen nicht nur für die Zeit des Unterrichts an der Pflichtschule, sondern auch für Nachmittagsangebote, die Freizeitangebote und Bildungsangebote darüber hinaus zur Verfügung stehen. Gerade in der aktuellen Zeit des Homeschoolings ist das Funktionieren und die Zugänglichkeit von Bildungsplattformen eine Grundvoraussetzung für den Zugang zur Bildung.
6.) Erfolgreiche Inklusion in die Arbeitswelt schaffen!
Blinde und sehbehinderte Menschen sind oft auch bei guter Qualifikation leider noch immer überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen.
Wie wollen Sie Anreize für Unternehmen schaffen, sich inklusiv zu öffnen?
Um sich inklusiv zu öffnen, müssen Unternehmen verpflichtet werden, bei geeigneter Qualifikation Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen. Von Unternehmen, die keine oder nicht ausreichend behinderte Menschen beschäftigen, wollen wir eine weitergehende Ausgleichsabgabe erheben, die sogar über den Kosten der möglichen Arbeitsplätze liegen könnte. Denkbar wäre auch eine Staffelung. Große Unternehmen, die eine Beschäftigungsquote von unter 2 % vorweisen, könnten deutlich stärker belastet werden. Mit diesen Geldern wollen wir Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen durch Zuschüsse – für etwaige Umbauten beispielsweise – verbessern. Die derzeit gesetzlich vorgegebene Quote von 5 %, die Unternehmen ab 20 Beschäftigten mit Schwerbehinderten besetzen müssen, wird selbst im öffentlichen Sektor nicht immer erreicht, in der Privatwirtschaft sieht es noch schlechter aus. Der öffentliche Sektor lag 2017 mit 6,5 % zumindest in seiner Ganzheit noch darüber, die Privatwirtschaft kam gerade einmal auf 4,1%. Mit der längst überfälligen Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 wurden bei der Umsetzung von Inklusion auf dem Arbeitsmarkt überwiegend „bewusstseinsbildende Maßnahmen“ umgesetzt, auf die überproportional hohe Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung hatte dies aber nur wenige Effekte. Tatsächlich ist die Spanne zwischen Menschen mit und ohne Behinderung, die arbeitslos sind, sogar noch gestiegen. Das zeigt, dass es klare gesetzliche Vorgaben braucht. Hier besteht akuter Handlungsbedarf. Unternehmen, die dies nicht selber leisten können, wollen wir deswegen bei den nötigen Umbauten unterstützen. Klar ist aber auch, dass es hier neben deutlichen gesetzlichen Vorgaben eine kontinuierliche Überprüfung von deren Einhaltung braucht.
Zusätzlich fordere ich umfassende Unterstützungs- und Aufklärungsangebote des Landes zur Thematik – Nur durch frühzeitige Aufklärung und Schulung von späteren Entscheidern zum Thema können wir Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behinderung und deren Beschäftigung abbauen. Ich kann mir auch vorstellen, dass das geltende Ausschreibungsrecht so verändert wird, dass Betriebe die eine über die Mindestquote hinaus gehende Menge an behinderten Menschen beschäftigen Vorteile in öffentlichen Ausschreibungen erhalten.