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Blindheit kann jeden treffen

Sehbehinderte und Busfahrer tauschen bei Treffen in Gaggenau Erfahrungen aus

von Ulrich Jahn

 

Gaggenau. Mischa Knebel weiß, wovon er spricht. Er istVorsitzender des Blinden- und SehbehindertenvereinsSüdbaden und hat mit den Tücken des Alltags zukämpfen. Oft gibt es Schulungen undInformationsveranstaltungen für Sehbehinderte. DieserTage drehte der Verein den Spieß um und sprach mitVertretern des Busunternehmens Eberhardt in dessenBetriebsstätte in Gaggenau.

Thema war, „wie Busfahrer mit blinden undsehbehinderten Fahrgästen umgehen sollten“. Ursprünglich war vorgesehen, dass auch der Vorsitzendeder Bezirksgruppe Mittelbaden, Hans Kühn, an derVeranstaltung teilnimmt. Er musste aber ausgesundheitlichen Gründen absagen.

Im kleineren Kreis informierte Knebel, der aus Freiburgangereist war, rund 15 Mitarbeiter des Busunternehmens(Fahrer und Verwaltung). „Blindheit oder Sehbehinderungkann jeden treffen“, betont Knebel. Häufig seien ältereLeute betroffen, weil die meisten Sehbehinderungen erstim fortgeschrittenen Alter auftreten würden. Bei demTermin in Gaggenau ging es darum zu zeigen, „wieeinerseits die Kommunikation von sehbehindertenLeuten mit dem Fahrpersonal sein sollte und andererseitsauch, wie Fahrerinnen und Fahrer sich gegenüberSehbehinderten verhalten sollen“.

Der Vorsitzende widersprach umgehend der Vermutung,mit dem Zeigefinger auf die Leute zu zeigen und zu sagen:„So hat das jetzt aber zu passieren.“ Es seien einfachEmpfehlungen. Oft komme es auf die jeweilige Situationan. Man müsse schauen, dass man sich entsprechendverhalte als Fahrgast und als Fahrer, um in der Kürze derZeit die beste Kommunikation herzustellen.

"Wenn die Haltestelle gut ausgestattet ist, gibt es weißeLeitlinien. Die sind extra für Sehbehinderte gemacht. InHöhe der vorderen Einstiegstür befindet sich ein großesAufmerksamkeitsfeld.“ Dort seien Linien in vielen Reihenhintereinander verlegt. „Dadurch können wir Blindefeststellen, wo es in den Bus hineingeht“, berichtet Knebelaus Erfahrung.

Für das Einsteigen selbst gebe es ein spezielles Training.Während der Fahrt sei es wichtig, dass die Blindenrechtzeitig erfahren, wenn sie ihre Zielhaltestelleerreichen. Im Vorfeld müssten sie wissen, ob dieHaltestellen automatisch angesagt werden oder ob manden Fahrer fragen muss, damit dieser dem FahrgastBescheid sagt.

„Die optischen Sachen funktionieren bei uns nicht“, gibtKnebel zu bedenken. Wichtig sei, dass sie sich alsSehbehinderte bemerkbar machten. Täten sie das nicht,werde es schwierig, weil der Fahrer dann auch nichtBescheid weiß, unterstreicht Christoph Girrbach,Betriebsleiter bei Eberhardt in Gaggenau. Insbesondere,wenn ein Bus noch einmal anhalten soll. Es sei ein „Stückweit gegenseitiges aufeinander zugehen“.

„Unsere hauptsächliche Barriere ist, dass wir keinenBlickkontakt aufnehmen können“, schildert derVorsitzende des Blinden- und SehbehindertenvereinsSüdbaden. Man müsse erst mit dem anderen sprechen,um zu bemerken, dass da jemand ist und „dass der mit unsreden will“. Betroffene sollten den Fahrer ansprechen undzum Beispiel sagen: „Entschuldigung, ich sehe schlecht,können Sie mir sagen, was Sie für eine Linie sind und woSie hinfahren.“ Damit habe man den ersten Kontakthergestellt.

Positiv hebt Knebel hervor, dass die Busse heutzutageinnen so ausgestattet sind, dass die Kontraste gut sind. Invielen Städten gebe es an den Displays, auf denen steht,welche Linie in wie viel Minuten abfährt, Knöpfe, nachderen Drücken man sich das Display vorlesen lassen könne. Im Murgtal existiere diese Variante aber nicht.Dagegen in Baden-Baden am Augustaplatz, wie eineBusfahrerin bemerkte.

In Freiburg, so Mischa Knebel, gebe es eine App (VAGRadar) fürs Handy. Busse und Bahnen seien dort alle mitSendern ausgestattet über Bluetooth. Wenn ein Fahrzeugeinfährt, werde auf dem Handy angezeigt, welche Linie esist und in welche Richtung es geht. Auf dem Handy könneeine Sprachausgabe aktiviert werden. Man könne in derApp sogar einen Knopf drücken, damit der Haltewunschausgelöst wird.

Das sei aber für Kommunen und Busunternehmen eineKostenfrage. Ein Sender für ein Fahrzeug koste etwa 1.500Euro. Die ganze Flotte damit auszustatten, sei somit schonkostspielig. Die Firma Eberhardt habe im Murgtal zumBeispiel 20 Busse im Einsatz, erklärt Christoph Girrbach.Alleine für diese würde eine Komplettausstattung etwa30.000 Euro verschlingen.
„Einiges an neuen Informationen“ hat er durch dasGespräch mit Knebel gelernt. Wichtig sei zu wissen, wiesich ein Behinderter oder Sehbehinderter fühle und wieBusfahrer reagierten. Notwendig sei, einen Fokus auf dieBehinderungen zu legen. „Wir haben sehr viel gewonnen“,resümiert Girrbach.

Zum praktischen Teil gehörte für die Fahrerinnen undFahrer der Umgang mit dem Blindenstock. Mittelsverschiedener Spezialbrillen wurden mehrereSeheinschränkungen simuliert. „Das ist übelst schwierig“, bekannte Girrbach, den richtigen Bus zu finden und dannauch noch den Fahrer, der behilflich ist.

Hinzu komme für die Lenker der Stress mit Baustellenoder Umleitungen. Wichtig sei deshalb, das richtigeFingerspitzengefühl zu finden.

 

 

Mischa Knebel (Zweiter von rechts) informiert Vertreter der Firma Eberhardt, wie sichBusfahrerinnen und Busfahrer richtig gegenüber Menschen mit Sehbehinderung undBlinden verhalten sollten. Foto: Ulrich Jahn